Einführung
FFH-Gebiete (Fauna-Flora-Habitat-Gebiet) sind die wertvollsten Naturräume, die wir in Deutschland und in ganz Europa haben. Sie sind noch am reichsten an seltenen Arten und naturnahen Lebensraumtypen. Der Grundgedanke für FFH-Gebiete war und ist, ein europaweites Netz von derartigen Schutzgebieten zu schaffen, um der Natur gesicherte Rückzugräume zu garantieren. Dies ist das Netz “Natura-2000“.
Der Landkreis Wolfenbüttel hatte im Juli einen Entwurf für eine neue Verordnung zum seit 1995 bestehenden Landschaftsschutzgebiet (LSG) “Elm“ vorgelegt. Anlass dafür war die europarechtliche Verpflichtung, das im Herzen des LSG “Elm“ liegende, besonders schützenswerte FFH-Gebiet “Nordwestlicher Elm“ rund um das Reitlingstal nach Jahren der Verzögerung nun endlich in nationales Naturschutzrecht zu überführen - durch eine eigene Schutzverordnung.
Der Ansatz des Landkreises war es, die FFH-Schutzverordnung in eine überarbeitete LSG-Verordnung des LSG “Elm“ zu integrieren. Er wollte also zwei Schutzgebiete gleichzeitig in einer Verordnung regeln. Dass diese Herangehensweise ein Fehler war, wird nun immer deutlicher.
Zur Umsetzung der europarechtlichen Verpflichtungen für ein FFH-Gebiet, für die “Entwicklung eines günstigen Erhaltungszustandes“ sowie für das Verbot seiner Verschlechterung zu sorgen, sind ganz andere Anforderungen an eine Schutzverordnung zu stellen, als an ein übliches Landschaftsschutzgebiet. Diese beiden Schutzziele – Umsetzung des FFH-Gebietsschutzes und gleichzeitig Überarbeitung einer veralteten LSG-Verordnung – in einer einzigen Verordnung abhandeln zu wollen, kann nicht gelingen.
Deshalb macht es nach Ansicht der Naturschutzverbände großen Sinn, das hochwertige FFH-Gebiet völlig aus dem LSG und seiner Verordnung herauszulösen und es gesondert mit einer passenden Schutzgebietsverordnung nach nationalem Recht zu versehen. Das deutsche Naturschutzrecht bietet für hochwertige Schutzgebiete ein passendes Instrument an: Der Schutz durch Verordnung als Naturschutzgebiet. Das sollte auch hier im Elm gewählt werden, um dem FFH-Gebietsschutz nach europäischem Recht (FFH-Richtlinie) gerecht zu werden.
Diesen Weg will der benachbarte Landkreis Helmstedt gehen. Der Natur sind Kreisgrenzen egal – das kreisübergreifende hochwertige FFH-Gebiet “Nordwestlicher Elm“ verdient eine gemeinsam abgestimmte, kohärente und vor allem den Schutzzielen der FFH-Richtlinie Rechung tragende Herangehensweise. Alles andere wird den von Brüssel vorgegebenen Schutzzielen nicht gerecht.
Die Kreis- und Ortsgruppen des NABU Wolfenbüttel und Schöppenstedt sowie BUND Wolfenbüttel und Helmstedt haben gemeinsam das vorliegende “Positionspapier Elm“ abgestimmt und veröffentlicht.
Anlass ist ein Zeitungsbericht über ein Pressegespräch im Elm, das Forstleute vor kurzem zusammen mit Vertretern der SPD geführt hatten. In dem Bericht wurden Aussagen der Forstleute wiedergegeben, die aus Sicht der Naturschützer nicht unwidersprochen bleiben dürfen. In unserem Positionspapier haben wir deshalb eine ganze Reihe von Gegenargumenten festgehalten, die zur Aufklärung darüber beitragen sollen, worum es bei den Schutzgebieten im Elm zurzeit wirklich geht.
Gegendarstellung von NABU und BUND
Zum Bericht vom 07.11.2012 in der Wolfenbütteler Zeitung:
“Forstwirte befürchten mehr Bürokratie“
Zum Thema Landschaftsschutzgebiet “Elm“ und FFH-Gebiet “Nordwestlicher Elm“:
1. In den o.g. Zeitungsberichten fehlt die sachgerechte Unterscheidung zwischen dem schon seit 1995 bestehenden Landschaftsschutzgebiet (LSG) “Elm“ (Gesamtgröße: 11400 ha) und dem seit 2006 faktisch gesicherten FFH-Gebiet “Nordwestlicher Elm“ (Größe: 1460 ha). Dieses FFH-Gebiet macht einen Flächenanteil von lediglich ca. 12 % am gesamten Landschaftsschutzgebiet “Elm“ (WF: 16 % / HE: 9 %) aus.
Also nur auf 12 % der LSG-Fläche gelten die europäisch einheitlichen Bestimmungen zum Erhalt bzw. Entwicklung eines günstigen Erhaltungszustandes und des Verbotes einer Verschlechterung der geschützten Lebensraumtypen “Waldmeister-Buchenwald“ und ähnlicher Buchenwaldtypen.
2. Das Bundesamt für Naturschutz gibt an, dass der aktuelle Zustand der Buchenwälder in Deutschlands FFH-Gebieten fast durchweg “ungünstig“ bzw. “schlecht“ ist. Es besteht also Handlungsbedarf, unsere Wälder in einen günstigen Erhaltungszustand erst noch zu entwickeln. Das ist der Auftrag der EU-Kommission an alle Mitgliedsstaaten, die dafür erlassene FFH-Richtlinie gibt es übrigens schon seit 1992.
Zur Alternative in der Umsetzung des FFH-Gebietsschutzes als “Landschaftsschutzgebiet“ oder “Naturschutzgebiet“:
3. Der Landkreis Helmstedt plant für den auf seinem Gebiet liegenden Teil des FFH-Gebietes (ca. ein Drittel seiner Gesamtfläche von 1460 ha) eine Verordnung als Naturschutzgebiet (NSG) – vollkommen herausgelöst aus dem LSG auf Seiten Helmstedts. Es ist also unlauter, dieses Vorhaben dem Änderungsentwurf des Landkreises Wolfenbüttel für sein bisheriges LSG “Elm“ gleichrangig gegenüber zu stellen. Hier geht es bislang um zwei ganz verschiedene Dinge. Erst wenn auch der Landkreis Wolfenbüttel eine vergleichbare Herangehensweise in der Umsetzung des FFH-Gebietsschutzes verfolgt – was die Naturschutzverbände ausdrücklich unterstützen – werden die Vorgänge miteinander vergleichbar.
4. Zur Umsetzung der europarechtlichen Verpflichtungen für ein FFH-Gebiet, für die “Entwicklung eines günstigen Erhaltungszustandes“ sowie für das Verbot seiner Verschlechterung zu sorgen, sind ganz andere Anforderungen an eine Schutzverordnung zu stellen, als an ein übliches Landschaftsschutzgebiet. Diese beiden Schutzziele – Umsetzung des FFH-Gebietsschutzes und gleichzeitig Überarbeitung einer veralteten LSG-Verordnung – in einer einzigen Verordnung abhandeln zu wollen, kann nicht gelingen.
Zum Thema der Beratung der Forstgenossenschaften durch die Landesforsten:
5. Den Vertretern der Landesforsten – als Berater der Forstgenossen – ist bekannt, dass seit 4 Wochen ein Entwurf des Nds. Ministeriums für Landwirtschaft vorliegt, der den Ausgleich von möglichen Erschwernissen für Privatwaldbesitzer regeln soll, die durch Schutzauflagen in FFH-Waldgebieten unter Umständen entstehen könnten. Diese Regelung wird künftig aber nur in Naturschutzgebieten greifen – so sieht es der Entwurf vor. In diese Richtung sollte also eine verantwortliche Beratung der Landesforsten für private Forstgenossen erfolgen.
6. Es gibt für die um Jahre verzögerte Umsetzung des europäischen Rechtes in Bezug auf den FFH-Gebietsschutz keinerlei Ermessens- und Entscheidungsspielräume für die durchführenden Landkreise. Die seit 2006 durch die EU-Kommission faktisch gesicherten Schutzgebiete des Natura-2000-Netzes sind seit Jahren als ein rechtsfreier Raum behandelt worden durch weitgehendes Ignorieren der schon seit diesem Zeitpunkt unmittelbar und direkt geltenden Schutzbestimmungen. So ist es zu dem o.g. “ungünstigen“ bzw. “schlechten“ Erhaltungszustand unserer Wälder in FFH-Gebieten gekommen. Auch dieses zu wissen und anderen mitzuteilen, gehört zu einer guten Beratung dazu.
7. Nach Jahren der Verzögerung in der rechtskonformen Umsetzung dieses europäischen Rechtes soll endlich Rechtssicherheit für alle Beteiligten hergestellt werden. Nur so können in Zukunft Haftungsfälle für etwaig entstehende Schäden an der Biodiversität in den EU-Schutzgebieten eindeutig geregelt werden. Viel besser wäre es jedoch, dass es zu solchen Schäden gar nicht erst kommt! Auch dafür sollte eine eindeutige und rechtssichere Regelung vor allem im Interesse der Forstleute liegen. Auch hier wieder der Weckruf an die Landesforsten, in diese einzig legitime Richtung zu beraten.
Zum bisherigen Entwurf einer neuen LSG-Verordnung “Elm“ des Landkreises Wolfenbüttel:
8. Nirgendwo im Verordnungsentwurf steht, dass es generell nicht mehr möglich sein soll, Nadelhölzer zu pflanzen. Für den größten Teil des LSG auf Wolfenbütteler Seite, also die 84 % ohne FFH-Gebietsschutz, soll lediglich nicht erlaubt sein, “Laubholzgrundbestände in überwiegend nadelholzgeprägte Waldbestände umzuwandeln“. Soll heißen: Anpflanzung von heimischen Nadelhölzern ist hier weiterhin erlaubt, sie dürfen nur nicht die Baumartenzusammensetzung überwiegen.
Aktuell bestehende Nadelforsten – wie etwa auf dem Foto im Artikel zu sehen – sind in diesem Entwurf überhaupt nicht erwähnt und können demzufolge auch weiterhin als solche genutzt und wieder nachgepflanzt werden.
9. Lediglich im FFH-Gebiet soll der Nadelholzanteil in den Laubwaldgrundbeständen nicht auf über 10 % gesteigert werden dürfen. Das ist im europäisch geschützten Buchenwaldtyp “Waldmeister-Buchenwald“ europaweit nicht gestattet und ist naturschutzfachlich auch nicht anders möglich. Aber selbst hier gibt es kein absolutes Verbot einer Nadelholzbeimischung und ihrer nachhaltigen Nutzung.
Zum Thema der Waldökologie und des Artenschutzes in Wäldern:
10. Die Annahme, Artenvielfalt sei das Ergebnis der praktizierten Waldbewirtschaftung, ist falsch. Die aktuelle Artenvielfalt in unseren Wäldern – wie auch in allen anderen (bewirtschafteten) Lebensräumen - lässt überall zu wünschen übrig und ist über die letzten Jahrzehnte fast überall rückläufig. Vermehrtes Auftreten von Arten des Offenlandes in Wäldern ist kein Zeichen von waldökologischer Qualitätssteigerung – eher im Gegenteil. Wahr ist dagegen, dass die anzutreffende Vielfalt an lebensraumtypischen Arten von Pflanzen, Tieren und Mikroorganismen in wirklich naturnahen Wäldern – erst recht in unberührten Naturwaldparzellen – bedeutend höher ist als in den Wirtschaftsforsten. Von echten Urwäldern, die es bei uns überhaupt nicht mehr gibt, ganz zu schweigen …
11. Die Aussage, der Holzreichtum des Elms “komme aus der Bewirtschaftung des Gebietes“, ist unhaltbar. Wie reich der Elm an Holz wäre, wenn der Mensch ihn nicht über Jahrhunderte bewirtschaftet hätte, kann keiner sagen. Es ist aber davon auszugehen, dass es im Elm nicht weniger Holz gäbe, wenn dort nicht gewirtschaftet würde, sondern eher im Gegenteil. Die potentielle natürliche Vegetation wäre hier ein weitgehend geschlossener Buchenwald – reich strukturiert mit allen Altersklassen, sowohl vertikal wie horizontal. Was davon finden wir heute noch im bewirtschafteten Elm vor?! Einen eher beklagenswerten Rest …
12. Die Aussage, der Wald sehe so aus wie er aussieht, “weil wir ihn bewirtschaften“ stimmt dagegen. Nur – wie sieht er denn aus, unser Wald?! Ist das der von Forstgenossen angestrebte Idealzustand? Das Vorkommen immer weniger alter hoher Bäume durch übermäßige Entnahme, ein zu geringer Anteil an stehendem und liegendem Totholz als Lebensstätten für eine immense Vielzahl an Bewohnern, wenig bis gar nicht vertikal strukturierte Altersklassenwälder, zunehmende Benutzung und Störung des Waldes durch private Brennholzwerbung – selbst in der Brut- und Setzzeit, wo regulär jeder Hund an die Leine gehört?!
13. Diese Liste könnte noch beliebig fortgeführt werden … Fazit: Nein, der aktuelle Zustand der Wälder ist wirklich kein erstrebenswertes Idealbild. Hier kann und muss sehr vieles verbessert werden zum Schutz und zur Förderung der Artenvielfalt in unseren Wäldern allgemein – aber erst recht und prioritär in Wald-FFH-Gebieten, also den für den Naturhaushalt und die Artenvielfalt wertvollsten Waldgebieten überhaupt, die wir haben.
14. Das aktuell zu beobachtende Absterben vieler Eschen hat eine eingeschleppte Pilzerkrankung als Ursache, die nur wenig bis nichts mit den Standortverhältnissen zu tun hat. Hier der aus Nordamerika stammenden Douglasie als “geeigneter Baumart aufgrund ihrer höheren Trockenresistenz“ das Wort zu reden, macht wenig Sinn. Die Aussage “der Baum wachse schnell“ macht die Motive der Befürworter indessen deutlich: Man strebt vordergründig schnellen Holzertrag an – anstelle einer ökologisch sinnvolleren Auswahl heimischer Laubbaumarten, die zudem höherwertiges Holz produzieren. Dieses Denken kann in einem FFH-Gebiet nicht im Vordergrund stehen, hier geht es um andere Prioritäten.