Seit einiger Zeit wollen im Landkreis Wolfenbüttel einige Landwirte Hühnermastställe errichten. Dies sollen Anlagen bis 40000 Tiere werden. Hierzu regt sich in den Betroffenen Gebieten Wiederstand. Zu diesem Thema hat der BUND und der NABU einen offenen Brief an die Landwirte im Landkreis Wolfenbüttel verfasst. Den Text dieses Briefes finden Sie unten.

 

Herr Gerhard Schwedtje ist stellvertretender Vorsitzender,

Herr Ulrich Löhr ist Vorstandsmitglied im Bauernverband Braunschweiger Land.

Offener Brief der Wolfenbütteler Natur- und Umweltschutzverbände an die Landwirte im Wolfenbütteler Land

Nehmen Sie Abstand von Hühnermastfabriken

Wolfenbüttel, den 19.11.2009

 

Sehr geehrter Herr Schwetje, sehr geehrter Herr Löhr,

 

Sehr geehrte Landwirte im Wolfenbütteler Land,

 

die aktuellen Vorhaben Wolfenbütteler Landwirte in Burgdorf, Cramme und Denkte mit modernen Hühnermastanlagen in die industrielle Fleischproduktion einzusteigen, sind auf großen Protest in der Bevölkerung gestoßen. Errichtung von Massentierhaltungsanlagen wird in der Öffentlichkeit zunehmend kritisch wahrgenommen. Die hauptsächlichen Gründe hierfür liegen in den nicht tiergerechten Haltungsbedingungen sowie in den ökologischen Auswirkungen und den Auswirkungen auf die Nachbarschaft, die von derartigen Anlagen verursacht werden. Massentierhaltungsanlagen stehen außerdem im Gegensatz zum Ziel einer nachhaltigen Agrarpolitik, die die Bundesregierung zusammen mit den Umwelt-, Tierschutz- und Verbraucherverbänden entwickelt hat.

 

Die Umweltverbände im Landkreis Wolfenbüttel möchten Sie davon überzeugen, sich nicht an der Geflügel-Massentierhaltung mit neuen Anlagen zu beteiligen.

 

In Mastfabriken gibt es keine tiergerechte Haltung

 

Für die Tierschutzverbände und die Umweltverbände steht fest: Mit 35 Kilogramm Geflügel, oder 25 Tieren auf einem Quadratmeter können Masthähnchen nicht tiergerecht gehalten werden. Die in die Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung festgelegten Rahmenbedingungen gehen weit über die von der EU-Veterinärkommission vorgeschlagenen Maximalwerte hinaus. Diese Verordnung orientiert sich mehr an den Bedürfnissen der Fleischwirtschaft als am Tierschutz.

 

Die in der Hähnchenmast eingesetzten Hybrid-Masthühner sind auf maximale Gewichtszunahme gezüchtet. In Freiheit sind sie nicht länger als 12 Wochen lebensfähig. Herz-Kreislauf-System und Skelett der Hühner halten dem rasanten Wachstum der Muskulatur nicht Schritt. Oft kommt es zu Knochendeformationen, zu Bänderüberdehnungen mit andauernden Schmerzen, unter denen die Hühner unzweifelhaft leiden. Das ist ethisch nicht vertretbar. In Ihrem bäuerlichen Betrieb werden Sie als Landwirt täglich mit dieser Quälerei konfrontiert. Hierüber sollten sie sich im Klaren sein.

 

Ungefilterte Abluft gefährdet unsere Gesundheit

 

Die Intensivtierhaltung fördert die Ausbreitung von Krankheiten drastisch. Werden die Tiere nicht prophylaktisch mit Arzneimitteln gefüttert, ist eine erhöhte Keimzahl in der Stallabluft, insbesondere am Ende des Mastdurchgangs zu befürchten. Werden Ställe ohne aufwändige Filteranlagen für die Abluft ausgerüstet, sehen wir erhebliche Potenziale für Allergien und Stauberkrankungen in der Nachbarschaft der Mastanlagen. In den vergangenen Jahren ist die Vogelgrippe in Niedersachsen zumeist in Mastanlagen aufgetreten. Die vorbeugende Keulung zigtausender Tiere ist aus Sicht der Umweltverbände eine schlimme Konsequenz falscher Agrarpraxis.

 

Billiges Massentierfutter fördert die massive Verbreitung der Gentechnik

 

Zur Deckung des Einweißbedarfs des Mastgeflügels kommt hauptsächlich Sojaschrot zum Einsatz, der zumeist in Mittelamerika erzeugt wird. Wir befürchten, dass hier nicht konsequent auf gentechnikfreie Futtermittel geachtet wird und damit die Ausbreitung gentechnisch veränderter Organismen befördert wird, denn noch immer muss die Fütterung von Tieren mit gentechnisch veränderten Futtermitteln auf dem erzeugten Fleisch nicht gekennzeichnet werden.

 

Schattenseiten der globalisierten Geflügelwirtschaft

 

Die stärker werdende Sojaerzeugung in Mittelamerika unter großem Preisdruck durch wenige multinationale Konzerne erhöht auch den Druck auf Ökosysteme und die Kleinbauern in den Erzeugerländern. "Abfallprodukte" der Geflügelproduktion in Deutschland werden oft tiefgefroren in weniger entwickelte Länder bspw. in Afrika, gefördert durch EU-Exportsubventionen abgesetzt und fügen dort der bäuerlichen Landwirtschaft großen Schaden zu. Einschätzung der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) ist der EU-Markt für Mastgeflügel längst gesättigt und die laufende Investitionswelle werde auch in diesem Sektor rasch zu einem Verfall der Preise führen. Die Landwirtschaftskammer weist warnend darauf hin, dass Mäster nur bei bestem Management schwarze Zahlen schreiben – ein Großteil der Landwirte erwirtschafte nicht mal die Kosten. Der zu erwartende Preisverfall wird auch bei Ihnen zu einem Defizit im Betriebsergebnis führen. Die Gewinner sitzen bei den Großhändlern und den Banken. Denken Sie an die Entwicklung der Schweinemast in den 70er und 80er Jahren sowie an die Entwicklung der Milchpreise für die Erzeuger.

 

Nehmen Sie Ihre Verantwortung ernst

 

Die Erzeugung von noch mehr Geflügelfleisch in Deutschland ist kein Naturgesetz. Die Gesundheit und die Versorgungssicherheit ist in Deutschland nicht gefährdet, wenn keine neuen Fleischproduktionsfabriken gebaut werden. Die erhöhte Geflügelfleisch-Nachfrage einer Gesellschaft, die noch immer viel zu wenig Verantwortung für nachhaltige und tiergerechte Erzeugung ihrer Lebensmittel zeigt, darf kein Freibrief für Tierquälerei in bäuerlichen Mastanlagen werden. Machen Sie sich als Landwirte zum Vorreiter einer nachhaltigen und tiergerechten Erzeugung gesunder Lebensmittel. Helfen Sie mit, bspw. bei offenen Hoftagen, oder Erntemärkten, den Konsumenten Ihren Einsatz für eine nachhaltige, gesunde und verantwortungsbewußte Produktion von hochwertigen Lebensmitteln näher zu bringen. Unterstützen Sie das bundesweite Bündnis "Bauernhöfe statt Agrarfabriken". Wir als Umweltverbände versuchen unsererseits, uns mit viel Engagement für eine Förderung des Ernährungsbewußtseins in unserer Region einzusetzen.

 

Wir rufen Sie, die Wolfenbütteler Landwirte dazu auf, bei der verständlichen Suche nach weiteren „Standbeinen“ für Ihr Einkommen nicht die Abhängigkeit von der Agrarindustrie zu suchen, sondern aktiv in den Zukunftsmarkt für artgerechte Tierhaltung zu investieren. Dazu sind jetzt dringend öffentliche Programme angesagt. Auch dafür setzen sich die Umweltverbände ein.

 

Errichten Sie keine Massentierhaltungsanlagen im Landkreis Wolfenbüttel. So helfen Sie den Tieren, der Umwelt, der Gesundheit und dem Frieden in unseren Gemeinden.

 

Mit freundlichen Grüßen

 

Olaf Dalchow                                 Horst Ehler

BUND Kreisgruppe             NABU Kreisgruppe
Wolfenbüttel                       Wolfenbüttel
1. Vorsitzender                   1. Vorsitzender